Mainzer Perspektivwechsel

Studierende des Studiengangs Zeitbasierte Medien an der Hochschule Mainz haben im LuLu am vergangenen Freitagabend eine Ausstellung mit dem Namen „Licht.Raum.Kunst.“ eröffnet. Diese ist bis zum 05. November für Besucher*innen geöffnet und lädt ein, die Stadt Mainz mal aus anderen Perspektiven zu betrachten und in die Installationen einzutauchen.

Foto. Karolin Arnold
Von Karolin Arnold

Vom neongelben Treppenhaus des Conceptstores LuLu in der Mainzer Innenstadt geht es hinunter in die Ausstellung „Licht.Raum.Kunst.“ von Studierenden des Studiengangs Zeitbasierte Medien an der Hochschule Mainz. Im Kontrast dazu wartet dort auf die Besucher*innen keine grelle Wandfarbe, sondern vielmehr eine sehr besondere Atmosphäre, erzeugt durch das Betreten der dunklen Halle, deren primäre Lichtquelle, die verschiedenen ausgestellten Projekte sind, die den Raum in deren Farben leuchten lassen.

Bei der Vernissage am vergangenen Freitagabend zieht es viele Besucher*innen in die großflächigen Räumlichkeiten, um die verschiedenen Installationen auf sich wirken zu lassen oder auch Teil dessen zu werden. Es ist ein Projekt zum Spüren, zum Anfassen, zum Erleben, zum Hören, zum Sehen und zum Nachdenken. Was alle Projekte verbindet, ist die Frage: „Was will uns Mainz denn sagen, wenn es leuchtet?“, so steht es im dazugehörigen Programmheft. Professor Tjark Ihmels, der den Kurs „Mainz leuchtet“ an der Hochschule leitete, ergänzt die Fragestellung mit den Worten: „Wie kann ich über eine Stadt was erzählen?“ Diesen Fragen hätten sich alle Gruppen gewidmet, auch wenn es „inhaltlich große Sprünge“ gebe, so Ihmels. Es ginge um „die Kommunikation von Stadt und Bewohnern“, sagt er.

Die Ausstellung ist das Endergebnis dieses Kursprojektes und eines weiteren Projektionskurses an der Hochschule, die aus einer Kooperation mit der Stadt Mainz entstanden sind. Gemeinsam mit der Stadt hätte die Hochschule überlegt, was die Mainzer Innenstadt wieder mehr zum Leben erwecken könne und daraus entwickelten sich verschiedene Projektideen, teilt Ihmels auf Nachfrage mit. Sie sollten Teil des für dieses Jahr geplanten „Late light festival“ werden, das wegen der Energiekrise ins nächste Jahr verschoben wurde. Die Ausstellung aber konnte schon jetzt umgesetzt werden.  Es sei ein langer Prozess gewesen, mit vielen Umwegen, wie zum Beispiel die technische Umsetzung oder auch die Frage „Versteht man das?“, so der Professor. Nach vielen „Trockenübungen“, so Ihmels, würden die Studierenden an diesem Abend das Gefühl bekommen: „Das ist jetzt wirklich unsere Ausstellung und das ist doch das Beste“.

Von Märchenwald bis Leuchtreklame

Das spiegelt sich auch in den Worten von Alicia Karatas wider, die lebhaft über ihren „Wald im Wandel“ erzählt. Sie habe hier versucht, Nachhaltigkeit neu zu definieren und darauf geachtet, dass all ihre verwendeten Materialen nachhaltig oder recycelbar sind. Gearbeitet habe sie mit alten Skizzen, Unterlagen, Werbung und alten Stoffen. Die Darstellung sei durch die Natur selbst inspiriert. Ihr Wald besteht aber eher untypisch aus großen Pilzen und Blumen. „Die Pilze haben mir gefallen“, sagt Karatas. Vorlage seien echte Pilze gewesen, aber trotzdem werde hier eine neue Perspektive darauf geschaffen, sagt sie. So vereine sie die Natur und Kunst. Durch den Märchenwald führt ein schmaler Pfad, auf dem die Besucher*innen spazieren können. Die Atmosphäre verändert sich nach einiger Zeit, denn die Künstlerin hat einen Tag-Nacht-Zyklus eingebaut, der die Besucher*innen den Wald zu verschiedenen Tageszeiten erleben lässt.

Ein bisschen weiter vorne in der Halle, links neben dem Eingang: Es blinkt, es leuchtet, es macht Geräusche. Die Installation mit dem Namen „Signal kommt“ ist eine kreisförmig angeordnete Skulptur, bestehend aus so ziemlich allem, was eine Stadt an Leuchtreklamen, Schildern und anderen Lichtern zu bieten hat. Da hängt das rote Apothekenzeichen neben den Leuchtreklamen verschiedener Biermarken, Straßenleuchten und Ampeln. „Es zeigt, was wir alles mitbekommen“, sagt Philipp Heun, der die Skulptur mit drei anderen Projektpartnern gestaltet hat. Malte Kropp, einer der drei, steht vor der Installation und erklärt: „Die Ampel dort zeigt eigentlich nach rechts oder links, jetzt sagt sie mir gar nicht mehr, was sie mir vorher gesagt hat.“ Nun sei sie Teil der Skulptur und erscheine in einem anderen Kontext. Verschieden und ganz anders angeordnet als im Alltag, begegnen die Leuchtreklamen den Besucher*innen nun auf eine andere Art und Weise als üblich. Je nachdem, wo man steht, leuchten andere Lichter und es kommt aus einem anderen Lautsprecher ein Geräusch, wie zum Beispiel das eines über Asphalt rollenden Skateboards.  

Installation „Signal kommt“ von Janik Damrau, Philipp Heun, Malte Kropp, Willi Bücking, Foto: Karolin Arnold
Installation „Wald im Wandel“ von Alicia Karatas, Antonio An, Foto: Karolin Arnold

Als Besucher*in läuft man durch die Halle und stößt nach wenigen Metern immer wieder auf das nächste Ausstellungsstück. Da stehen vor einer Wand mehrere rote Stühle, angeordnet wie in einem Bus, daneben werden auf die Wand verschiedene Bilder projiziert. Es ist eine Busreise durch Mainz bei Nacht. Auch das Teil der Projektkonzeption in Kooperation mit der Stadt Mainz, das zunächst in der Ausstellung präsentiert wird. Die Besucher*innen können auf den Stühlen Platz nehmen und „mitfahren“. Das Programmheft animiert mit den Worten: „Steigen sie ein und erleben sie eine interaktive rollendende Projektion“. Ein Aufruf dem an diesem Abend einige Besucher*innen folgen und damit wieder Teil des Ausstellungsstückes werden.

Dieser Effekt ist mal mehr und mal weniger bei allen Projekten zu beobachten. „Licht.Raum.Kunst.“ lässt die Besucher*innen immer wieder von der passiven Beobachter*innenrolle in eine aktive Rolle schlüpfen und macht die Kunst somit erlebbar. So ist an einer anderen Stelle des Raumes der Schriftzug „BEWEG DICH HIER“ zu sehen. Tritt man auf die gelb eingezeichneten Füße und nimmt den Schriftzug beim Wort, erscheinen die überdimensionalen Schatten und die eigenen Bewegungen vor den Besucher*innen auf dem Boden. Auf der anderen Seite der Halle ist ein Raum, dessen flackerndes Licht, einen als Besucher*in förmlich anzieht. Stehen die Besucher*innen im Raum, werden sie konfrontiert mit einem rasend schnell flackernden Bild, begleitet von undefinierbaren Geräuschen. Der Raum nimmt die Besucher*innen ein und schafft eine beängstigende Atmosphäre. Ein Effekt, der wie der Titel „Das Unheimliche“ und die Programmbeschreibung der Installation verrät, vermutlich gewollt ist.

Der Mensch und seine Abgründe

„Das Kleid im Meer“ von Luo Xi, Elena Reger, Patrick Wild; Foto: Karolin Arnold

Mittig platziert, in einem Teil der Halle ist das Projekt „Das Kleid im Meer“ zu sehen. Das Ausstellungsobjekt ist ein riesiges Plastikmeer, bestehend aus Klamottenverpackungen und darin eingebettet ist Müll, wie zum Beispiel leere Joghurtbecher oder alte Milchkartons. „Das ist der gesammelte Müll einer Familie aus einer Woche“, sagt Patrick Wild, der das Projekt unter anderem gestaltet hat. Auch hier werden die Besucher*innen wieder mit den Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Verschmutzung konfrontiert und verändern durch ihre Bewegungen den Anblick der Installation. So stehen an den Seiten Korallen, die eigentlich in einem warmen Gelbton leuchten, treten die Besucher*innen auf ein eingezeichnetes Kreuz davor, geht das Licht der Korallen aus und das riesige Kleid in der Mitte der Installation wird hell erleuchtet. Das Kleid, so Wild, symbolisiere den Menschen und „es zeigt, wie der Mensch in die Natur eingreift“.

Dahinter geht es für die Besucher*innen in einen dunklen Raum. Am Eingang hängen Taschenlampen mit rotem und blauem Licht. Die Wände des Raumes sind schwarz, es ist dunkel und bedrückend. Leuchtet man mit den Taschenlampen die Wände an, erscheinen Sätze, die verbale sexuelle Belästigung ausdrücken. „Wir wollten zeigen, was Alltag für viele Menschen ist und problematisches Verhalten aufzeigen“, sagt Lisa Gregor, die das Projekt zusammen mit Arsen Gebauer gestaltet hat. Auch das Teil einer Stadt, auch das Teil dessen, was in einer Stadt passiert. Betroffene Personen würden an jeder Ecke damit konfrontiert, sagt Gebauer und das ist auch das Gefühl, dass man als Besucher*in bekommt, wenn man den Weg des verwinkelten Raumes entlanggeht. Man dreht sich um und da wartet bereits der nächste Spruch und womöglich verbunden mit dem Vorwurf „Ist doch nicht so gemeint“, wie auch der Titel des Projektes lautet.

Die beiden Studierenden haben Erfahrungen von Bekannten gesammelt, Sätze aufgeschrieben, die immer wieder fallen und bei den betroffenen Personen meist mehr auslösen, als nach außen sichtbar wird. „Wir wollen mehr Menschen damit erreichen und ein Bewusstsein dafür schaffen“, sagt Gregor.

Zukunftsperspektiven

An einer Wand im hinteren Teil der Halle ist ein riesiges Graffiti zu sehen. Davor stehen in einem Halbkreis angeordnet, Liegestühle, in der Mitte ein Beamer, der auf das Graffiti Bilder, Farben und Bewegtbilder projiziert. Das Graffiti gehört zu einem anderen Motiv, das von außen, vor Betreten der Ausstellung, zu sehen ist. Dort prangt der Schriftzug „FUTURE“. Benga Mavinga, einer der Studierenden erklärt, dass sie sich mit dem Thema der „verlorenen Generation“ auseinandergesetzt hätten. Eine Frage, so Mavinga, sei zum Beispiel gewesen: „Welche Zukunft haben Studierende noch in der Innenstadt von Mainz?“ Aber auch die Frage danach, was all die Krisen mit ihrer Generation machen, hätte die Gruppe beschäftigt und sei Thema ihres Projektes.

Für die Besucher*innen wartet dann noch die Stadt Mainz, mit ein paar seiner hervorstechenden Gebäude, in klein auf sie. Der Kurs „Mapping Mainz“, sollte eigentlich auch Teil des nun verschobenen Mainzer „Late light festival“ werden. Hier präsentieren die Studierenden ihre Installationen zunächst mit Modellen. Dort steht dann der Dom in Miniatur auf einem Podest und die Fassade verschwimmt durch die Lichtprojektion oder andere Muster erscheinen auf den Steinen. Dabei setzen die Besucher*innen Kopfhörer auf, aus denen schnelle Elektrosounds ertönen und einen als Besucher*in, vorausgesetzt man lässt es zu, im Zusammenspiel mit dem Lichterspiel die Umgebung fast vergessen lassen und zum Eintauchen einladen. Daneben leuchtet der Osteiner Hof am Schillerplatz mal in den Farben der Fastnachtsflagge und graue Buchstabenletter purzeln in das Bild. Auch hier begleitet von Musik, deren Rhythmus abgestimmt ist mit den Projektionen auf die Gebäude.

Die Studierenden haben es mit Ihrer Ausstellung geschafft, Mainz aus anderen Perspektiven zu betrachten, dabei wichtige Themen, die viele Menschen umtreiben, anzusprechen und mit ihrer Kunst ganz individuell darauf aufmerksam zu machen. Eine Ausstellung zum Nachdenken und eine, die vielleicht besonders durch die interaktiven Elemente, nicht nur thematisch, sondern auch ganz real, sehr nah an den Besucher*innen dran ist.

Bis zum 05. November können alle Interessierten die Ausstellung im LuLu in der Innenstadt zwischen 10 und 18 Uhr noch besuchen. Der Eintritt ist frei.

„Mapping Mainz“ von Florian Alliger, Maryna Komisarova, Malte Kropp, Felix Mensching, Meike Schalk, Lucas Siehl, Huyen-Nhi Tien Ngoc, Patrick Wild, Jonas Winkler; Foto: Karolin Arnold

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert