Der Spotify-Effekt 

Das Radio befindet sich in einer Krise. Streamingdienste mit schier endlosen Musikkatalogen und Podcastangeboten laufen den Sendern den Rang ab. Manch ein*e sagt dem Medium schon den Untergang hervor. Aber noch gibt es Hoffnung.

Credits: ©dimitrisvetsikas1969/pixabay
Von Taris Froehner

Immer die gleiche Musik – das Beste aus den 80ern, 90ern und den Charts –, dazu Ansagen von immer etwas zu fröhlichen Moderator*innen. Das ist es zumindest, was viele jüngere Menschen auf die Fragen antworten, weshalb sie kein Radio mehr hören. Das Radio hat ein Image-Problem. Dabei kennen es viele noch von Zuhause. Da lief es beim Frühstück, auf dem Weg zur Schule oder in den Urlaub. Meistens sogar der gleiche Sender. Vielleicht ist auch das der Grund, warum sich viele – gerade aus jüngeren Generationen – lieber Musik-Streamingdiensten zuwenden. Die Auswahl ist größer, man kann sich jederzeit entscheiden, was man hören möchte, muss sich nicht auf das Angebot des Senders verlassen. Im Vergleich dazu wirkt das Radio fast schon veraltet. 

Dabei bieten vor allem öffentlich-rechtliche Sendeanstalten eigentlich eine recht große Vielfalt. Allein durch die Aufteilung in verschiedene Sender, die sich jeweils auf eine bestimmte Nische spezialisieren. So gibt es allein beim Südwest-Rundfunk beispielsweise fünf unterschiedliche Radiosender: SWR1, 2, 3 und 4 und nicht zuletzt der Jugendsender DASDING. Alle fokussiert auf andere Zielgruppen und Musikgenres. Eigentlich für jede*n etwas dabei, oder? 

Auf der Suche nach Innovation

Bleibt dennoch das Problem der fehlenden Flexibilität. Anders als bei Spotify, kann man im Radio normalerweise nicht einfach weiterklicken, sobald einem das Lied nicht gefällt. Für viele Hörer*innen ein großer Nachteil. Dessen ist man sich auch beim Radio bewusst. Deshalb arbeiten einige Radiosender mittlerweile an Lösungen, um auch für die Generation Spotify wieder attraktiver zu werden.  Beispiel SWR3: Hier steckt man seit einiger Zeit viel Mühe in die sendereigene App. Nutzer*innen können unter anderem Songs liken, skippen – also weiterdrücken –, oder zurückspulen. Features, die man sonst eher von Musik-Streamingdiensten kennt. Verfügbar sind sie aber nur über die App, was höchstwahrscheinlich auch so bleiben wird. Auf das „normale“ Radio sind sie technisch nicht übertragbar. 

Über die SWR3-App sind zudem alle der eigenen Podcasts zu finden und abzurufen. Denn auch Radiosender haben erkannt, wie beliebt Podcasts gerade bei jüngeren Hörer*innen sind. Radiobeiträge werden teilweise extra so gestaltet, dass sie später – ohne aufwendige Bearbeitung – direkt als Podcast veröffentlicht werden können. Allerdings nicht nur in der eigenen App, sondern auch auf Spotify. Denn hier ist das schwedische Unternehmen mittlerweile klarer Marktführer. Zwischen 2018 und 2021 hat sich allein die Zahl der deutschsprachigen Podcasts auf der Plattform von 2.000 auf 50.000 erhöht – darunter auch sogenannte „Spotify Originals“. Podcasts wie „Gemischtes Hack“ und „Fest und Flauschig“ können nur hier gehört werden und ziehen – nach Angaben von Spotify – wöchentlich rund eine Million Hörer*innen an. Zahlen, von denen viele Radiosender nur träumen können. 

Keine hoffnungslose Lage

Ganz aussichtslos ist die Lage der Radiomacher*innen aber nicht. Laut Statista gab es 2021 immer noch um die 35 Millionen tägliche Hörer*innen (im Alter über 14 Jahren). Dennoch darf nicht missachtet werden, dass die Zahlen stetig zurückgehen. Man muss sich also neu erfinden, neue Wege für sich erschließen und im Zweifel auch Risiken eingehen: Neue digitale Formate zum Mitmachen entwickeln, mal jüngere Moderator*innen an die Mikros lassen. Und auch in Punkto Musik neue Richtungen einschlagen – Playlists erweitern statt mehrmals am Tag die gleichen Lieder zu spielen. Nur so kann es gelingen, auch Jüngere wieder für das Medium zu begeistern. Darauf zu warten, dass die Menschen müde, ob des Überangebots von Musik und Podcasts wegen, werden und ihre Abonnements kündigen – ähnlich wie es gerade bei Netflix passiert –, wird nicht reichen.  

Das Radio muss wieder daran erinnern, warum es seit so vielen Jahrzehnten Hundertausende von Hörer*innen begeistert. Keine leichte Aufgabe: Gleichzeitig neue Zielgruppen erschließen und das alteingesessene Publikum halten. Denn es gibt sie noch, die echten Radiofans. Erst kürzlich erzählte selbst Felix Lobrecht in einer Folge „Gemischtes Hack“, dass er sich wieder ein Radio für die Küche angeschafft habe. Vielleicht konnte seine Begeisterung ja auf ein paar Hackis abfärben.  


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert