Podcasts – sie sind praktisch, mal kurz, mal lang, mal lustig, informativ oder gruselig. Welche Möglichkeiten, aber auch welche Probleme bringt das Medium mit sich?
Seitenlange ausführliche Artikel lesen und jeden Tag die 20 Uhr-Nachrichten schauen, dazu finden viele Menschen in einem immer schneller werdenden Alltag eher selten Zeit. Also Podcast an und sich beim Wocheneinkauf oder während des Zähneputzens nebenbei berieseln lassen. Mittlerweile bietet das vergleichsweise neue Medium ein breites Angebot. Von humorvollen Comedy-Formaten bis hin zu gruseligen True-Crime Podcasts – hier kommen alle auf ihre Kosten.
Sehr beliebt sind Podcasts vor allem bei jüngeren Menschen, denn laut Bitkom Research werden sie von 53 Prozent der 16-bis 29-Jährigen regelmäßig gehört. Junge Menschen klagen oftmals über Zeitdruck und Stress, weshalb Podcasts als praktische Möglichkeit angesehen werden, um die vermeintlich „verlorene“ Zeit auf dem Weg zur Uni oder beim WG putzen effektiv zu nutzen. Die Zahlen sprechen für sich, denn in den letzten Jahren ist die Hörer*innenzahl rasant gestiegen und der Trend hält an. Umfragen von Bitkom Research aus dem Jahr 2021 haben ergeben, dass 38 Prozent der deutschen Bevölkerung Podcasts nutzen. 2019 waren es dagegen nur 26 Prozent.
Ebenfalls zum Podcast-Boom beigetragen hat scheinbar der enorme Informations- und Wissensdrang, den viele seit Beginn der Pandemie haben. Alles rund um Corona ist Podcast-Thema Nummer eins, wie weitere Umfragen von Bitkom Research zeigen. Es gibt ganze Formate nur über das Thema Corona. Alle zwei Wochen erschien lange Zeit zum Beispiel das vielgehörte „Coronavirus-Update“ von NDR Info. Und selbst das Bundesgesundheitsministerium hat den Podcast als Medium für seine Kommunikation entdeckt und informiert mit „ÄrmelHoch“ rund um die Corona-Schutzimpfung.
Mit Podcasts immer auf dem neusten Stand
Nachrichtenbeiträge finden sich auf Platz zwei der Liste der beliebtesten Podcast-Themen. Einige Nachrichtenpodcasts beweisen, dass Podcasts auch kurz und informativ sein können. Während viele Podcasts zwischen 20 bis 60 Minuten lang sind, beschränken sich die meisten Nachrichtenpodcasts auf 5 bis 10 Minuten, um die Hörer*innen auf den neusten Stand zu bringen. Mit dem Podcast „Die Nachrichten“ von Deutschlandfunk werden die Hörer*innen jeden Tag 24 Stunden lang jeweils zur vollen Stunde mit den neusten Informationen aus aller Welt versorgt. Nur zweimal am Tag, dafür mit etwas längeren Beiträgen, veröffentlicht ein Team aus der ZEIT-ONLINE-Redaktion den Nachrichtenpodcast „Was jetzt?“. Die Nachrichten gibt es dort von Montag bis Freitag, um sechs Uhr morgens und nachmittags um 17 Uhr. An den genannten Beispielen für Corona- und Nachrichtenpodcasts lässt sich erkennen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender und die großen Zeitungsverlage das Podcast-Medium bereits für sich erkannt haben. Allein ZEIT ONLINE hat momentan 19 aktive Podcasts.
Zu viele „Laber-Podcasts“, zu wenig Podcast-Kritik
Seit 2020 vergibt das Medium auch Preise an die besten Formate. Letztes Jahr erhielt unter anderem Luisa Neubauer mit ihrem Spotify Original-Podcast „1,5 Grad – der Klima-Podcast“ den Deutschen Podcast Preis als beste Newcomerin. Dort redet die Aktivistin und Mitorganisatorin der Fridays for Future-Bewegung alle zwei Wochen zusammen mit unterschiedlichen Menschen über die Klimakrise und ihre Auswirkungen. Außerdem wurden 2021 zum zweiten Mal in Folge Felix Lobrecht und Tommi Schmitt mit dem Publikumspreis für ihren Podcast „Gemischtes Hack“ ausgezeichnet. Ein typischer „Laber-Podcast“ und einer der beliebtesten Podcasts Deutschlands.
Solche „Laber-Formate“ sind besonders unterhaltsam und dominieren häufig die Podcast-Charts. Dennoch werden sie in bestimmten Punkten auch kritisch betrachtet. Sie seien zu unstrukturiert und beinhalten, obwohl sie immer öfter aktuelle und wichtige Themen ansprechen, zu wenig Recherche. Sandro Schroeder kritisiert zum Beispiel in der Kolumne „Podcastkritik“ von ÜberMedien den Podcast „LANZ & PRECHT“ vom Fernsehsender ZDF als einen „Laberpodcast“. Er schreibt dort gäbe es „kaum Fakten, kaum redaktionelle Bearbeitung, dafür viel Gerede und Meinung“.
Allerdings gibt es ausführliche Podcast-Kritiken eher selten, die Kolumne „Podcastkritik“ von ÜberMedien ist eine Ausnahme. Dieses Defizit wird auch im ÜberMedien-Podcast in der Folge vom 5. März 2021 thematisiert. Die „Podcastkritik“-Kolumnisten Markus Engert und Sandro Schroeder sprechen in der Folge „Holger ruft an…wegen Podcasts“ mit der Journalistin Nora Hespers und dem Podcast-Host Holger Klein. Sie stellen fest, dass gute Podcast-Kritik besonders zeitaufwendig ist, deshalb gibt es sie wahrscheinlich auch zu wenig. Dabei erhalten Podcaster*innen immer mehr Reichweite und werden in der Öffentlichkeit, außerhalb des Podcasts-Universums, selten hinterfragt oder kritisiert.
Trotzdem finden sich auch Beispiele, in denen Formate außerhalb der Podcast-Bubble für Aufsehen oder Empörung sorgen. So beispielsweise beim Podcaster Joe Rogan, der besonders viel Reichweite hat. Der US-Amerikaner geriet Ende Januar diesen Jahres unter heftige Kritik. Er soll in seinem exklusiven Spotify Podcast „The Joe Rogan Experience“ Falschaussagen über die Corona-Pandemie verbreitet haben. Da Spotify den beliebten Podcast nicht entfernen wollte, nahmen einige Musiker, darunter Neil Young, aus Protest ihre Musik von der Plattform. Der Streamingdienst-Anbieter veranlasste daraufhin, dass zukünftige Beiträge über die Pandemie mit Hinweisen zu wissenschaftlichen Informationen versehen werden sollen. Einige Tage später geriet Rogan aufgrund von rassistischen Äußerungen in seinem Podcast erneut unter Kritik. Spotifys CEO Daniel Ek distanzierte sich von Rogans Äußerungen. Dennoch betonte er, dass Spotify als Plattform keine redaktionelle Verantwortung für die umstrittenen Beiträge tragen würde.
Erfolgsrezept „Laberpodcast“?
Doch zurück zur Erfolgsanalyse der „Laberpodcasts“: Ein Grund für den Erfolg derer ist, dass viele Rezipient*innen durch regelmäßiges Hören des Podcasts scheinbar eine gewisse Nähe zu den jeweiligen Hosts aufbauen. Das Podcast-Gespräch fühlt sich dann ähnlich wie ein Freund*innen-Gespräch an, nur das die Hörer*innen selbst nichts sagen. Ein weiterer Aspekt ist die Prominenz vieler Podcaster*innen in diesen Formaten. So setzt auch der bereits erwähnte Podcast vom Fernsehsender ZDF mit Markus Lanz und Richard David Precht auf die Beliebtheit und Bekanntheit der Moderatoren. Die beiden sprechen wöchentlich über laut Podcast-Beschreibung „gesellschaftlich und politisch relevante Themen” und sind dabei äußerst erfolgreich. Mehrfach wurde der Podcast dafür kritisiert, dass dabei die Möglichkeit verpasst wird, neuen jungen Stimmen eine Plattform zu geben. Dafür bekommen zwei Männer, die bereits selbst-betitelte Fernsehsendungen haben, noch mehr Sendezeit.
Es fehlt an weiblicher, queerer und BIPoC Repräsentation
Podcast-Kritik gibt es auch alle zwei Wochen von Deutschlandfunk Kultur mit dem Podcast „Über Podcast – Das Podcast-Magazin“. Die Folge „Laberpodcasts – Precht, Lanz, Kaulitz: Noch mehr Männergespräche“ vom 1. Oktober 2021 greift den Podcast „LANZ & PRECHT“ ebenfalls auf. Christiane Watty spricht dort mit Kolumnistin Anja Rützel und Psychologin Christiane Attig. Die drei Frauen versuchen zu begründen, warum ausgerechnet das Format „Zwei Männer reden miteinander“ so gut funktioniert. Sie argumentieren, dass Männer es durch eine Sozialisierung innerhalb des Patriacharts eher als selbstverständlich erachten, dass ihre Meinung für die Öffentlichkeit interessant und relevant sei. Deshalb sind sie bei „Laber-Podcasts“ öfter vertreten und die Podcast-Charts meist von cis-männlichen Perspektiven dominiert.
Christiane Attigs Studie „Männlich, mittelalt, gebildet – oder?“ zeigt, dass nur ein Viertel der deutschen Podcaster*innen Frauen sind. Podcasts, in denen eine oder mehrere Frauen die Hosts sind, werden immer noch weniger wahrgenommen. Auch Alice Hasters und Maximiliane Häcke vom Podcast „Feuer und Brot“ thematisieren dies in ihrer Jahresrückblicks-Folge vom Dezember 2021. „Leute müssen mal klar kriegen, dass nur wenn eine Frau oder mehrere Frauen miteinander sprechen, das nicht immer nur für Frauen ist“, sagt Maximiliane Häcke.
Damit weist das Medium Podcast ein bereits bekanntes Problem auf: Frauen sind in der Medienwelt unterrepräsentiert. Laut dem „Global Media Monitoring Project“ aus dem Jahr 2015 sind nur 24 Prozent der in Zeitungs-, Fernseh- und Radionachrichten abgebildeten Menschen Frauen. Und nicht nur weibliche Perspektiven fehlen, in den meistgehörten Podcasts gibt es kaum queere und BIPoC Repräsentation.
Diese kann jedoch abseits der Podcast Charts gefunden werden. In „BBQ—Der Black Brown Queere Podcast“ von Zuher Jazmati und Dominik Djialeu wird queeren Menschen und BIPoC ein Raum gegeben. Die Hosts sprechen monatlich über ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen und laden auch öfter Gäst*innen ein, wie zum Beispiel in der Folge „Queer Parenthood – mit Baba Sepher“. Dort sprechen sie über Regenbogenfamilien und Lebensrealitäten von queeren Eltern. Im bereits genannten Podcast „Feuer und Brot“ sprechen zwei Frauen offen über Sexismus und Rassismus, aber auch über Disney Filme, Friends und Timothée Chalamet. Die Journalistin und Autorin Alice Hasters und ihre langjährige Freundin die Synchronsprecherin und Schauspielerin Maximiliane Häcke veröffentlichen schon seit 2016 monatlich ihren Podcast. In ihren Gesprächen zwischen Politik und Popkultur gibt es viel Gerede und Meinung. Jedoch bemühen sie sich, die Kritik ihrer Hörer*innen zu berücksichtigen und korrigieren Fehler aus der vorherigen Folge jeweils zum Beginn einer neuen Folge.
Podcasts bieten also viele Möglichkeiten. Sie sind jederzeit einfach abrufbar und dadurch besonders praktisch. Sie können kurz und informativ sein aber auch lang und unterhaltsam. Die Podcast-Welt lässt keine Wünsche offen. Aber das Medium weist ebenfalls Probleme auf. Die vielgehörten „Laber-Formate“ beinhalten teilweise zu wenig Fakten und aber sehr viel Meinung. Und auch im neuen und jungen Medium Podcast sind weibliche, queere und BIPoC Menschen unterrepräsentiert.