Die Bedrohung von Rechts konnte man in den letzten Jahren häufig beobachten: Die Anschläge von Hanau und Halle sowie die derzeitige von rechts durchsetzte Impfgegner*innen-Bewegung, die mit Reichsflaggen und Fackeln durch die Straße zieht, als stände Deutschland eine baldigen Diktatur bevor. Die neue Bundesministerin des Inneren Nancy Faeser betont in ihrer Antrittsrede: „Ein besonderes Anliegen wird mir sein, den Rechtsextremismus zu bekämpfen“. Bis Ostern will sie dafür einen Aktionsplan vorlegen. Das geplante Demokratiefördergesetz solle „so schnell wie möglich“ eine neue Grundlage schaffen, so Faeser. Das Thema ist aktuell wie immer und der Weg kurz von rechts-neugierig zu rechtsextrem. Vor allem junge Menschen sind dabei anfällig für Gewaltausübung.
Rund 80 Prozent der in Deutschland bekannten rechtsextremen Täter*innen sind unter 30, rund 50 Prozent zwischen 14 und 23 Jahre alt. Die Bedrohung geht demnach überwiegend von jungen Rechtsextremen aus. Wo aber beginnt heutzutage der erste Kontakt junger Menschen mit rechts? Auf welche Strategien setzen Neue Rechte, AfD & Co., um gezielt Jugendliche anzuwerben? Welche Rolle spielen Influencer*innen selber?
Lifestyle, Beauty & More.
Rechts sein ist hip. Das haben seit der Erfindung des Nipsters (Nazi-Hipster) alle mitbekommen. Die Identitäre Bewegung gestaltet ihre Website moderner als jede Universitätswebsite, braut ihr eigenes Bier und wirbt mit jungen Aktivisten (ja, es sind nur Männer), die sich für die Bewegung engagieren. Die Jugendorganisation der AfD ‚Junge Alternative‘ (JA), die nebenbei vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde, verkauft schick designte Zeitschriften und T-Shirts, die deutlich wenig an den 80er Jahre Skinhead-Nazi mit Springerstiefel erinnern.
Auch auf Instagram zeigt sich ein ganz neues Bild rechter Meinungsträger*innen. Zwischen Selfies, Frisurentipps und Koch-Tutorials findet man bei genauerem Lesen der Bildunterschriften Meinungsmache gegen Migrant*innen oder Tipps für das traditionelle Leben deutscher Frauen. Die Influencerin @freyarosi rät ihrer Follower*innenschaft, ihre Weiblichkeit zu stärken, ihren Haushalt unter Kontrolle zu haben und sich mit Kultur und Brauchtum auseinander zu setzen. Ein weiterer Post thematisiert den heidnischen Brauch der Sommersonnenwende. Wie viele Follower*innen von @freyarosi vermutlich nicht wissen: Seit die Nationalsozialisten das Germanentum für ihre Ideologie missbraucht haben, steht dieser Kult unter Rechtsextremismusverdacht.
Andere Influencerinnen wie @hallofraukaiser und @lehmannlieschen engagieren sich in der JA. Zwischen süßen Schneebildern mit Weihnachtsmütze und nachdenklichen Herbstselfies in klassischen rot-orangen Tönen findet man hier also Wahlkampf, Talkshows und bekannte AfD-Gesichter wie Alice Weidel oder Tino Chrupalla. Wirken die Bilder noch recht harmlos, geben die Storys schon ein ganz anderes Bild ab – zusammengefasst unter dem Thema „Meinung“ hetzt @lehmannlieschen gegen Politiker*innen, Medien und Coronapolitik. In anderen Storys erstellt sie Umfragen, in denen ihre Follower*innenschaft abstimmen soll, ob man das N-Wort bei einem Schokokuss noch benutzen dürfe. Das Ergebnis ist wie erwartet ernüchternd: 95 Prozent stimmen für ja.
Rechts sein ist cool?
Das Motto ist also klar: Rechts sein bedeutet schon lange nicht mehr Bierbauch und Glatze, sondern ist heutzutage jung, agil und attraktiv. Auf dem Account @germanyspride des Fotografen Vadim Derksen findet man Porträts junger, gutaussehendender Frauen und Männer. Zu sehen sind dort auch Influencerinnen wie @lehmannlieschen oder @hallofraukaiser. Die JA konzentriert sich nun schon länger auf Instagram und führt gelegentlich sogar Fotografie-Workshops durch. „Wir probieren und professionalisieren uns“, schrieb der Landesverband der JA Berlin dazu auf ihrem Account.
Correctiv deckt auf
Journalist*innen der gemeinnützigen und unabhängigen Redaktion Correctiv haben in ihrer Artikelserie „Kein Filter für Rechts“ über 4.500 rechte Accounts auf Instagram analysiert und Querverbindungen zur rechten Szene aufgedeckt. Ein Vorstandsmitglied der JA berichtete der Redaktion, dass der Landesverband mittlerweile die Hälfte seiner Neuzugänge über Instagram gewinne. Frauen scheinen in der Szene dabei eine zentrale Rolle zu spielen, da sie die Brücke von der vorgeblich unpolitischen Ästhetik auf Instagram in ein rechtes Weltbild und letztlich in rechtsextreme Kreise bilden, so Correctiv. Hinzu kommen Algorithmen, die Menschen immer mehr von denselben Themen zeigen.
Die Professorin Katrin Degen, die an der Universität Bamberg zum Thema Gender und Sexualität in Social-Media-Diskursen der extremen Rechten promoviert, erzählt dazu: „Es ist den Rechten schon lange bewusst, das Frauen friedliebender wirken“. Laut Degen hätten Frauen früher schon die Vorzeigerolle übernommen. Auf Instagram setze sich die Tradition fort. Frauen würden dort gezielt vorgeschickt, um die „Ideologie durch die Hintertür“ einzuführen, erzählt sie Correctiv. Durch „durchaus feministisch anmutende Themen“ wird die Szene sogar noch anschlussfähiger für junge Frauen.
Wie gefährlich sind rechte Lifestyle-Influencer*innen aber nun wirklich? Reichen Blumenbilder und Frühlingsoutfits, um junge Menschen zu radikalisieren? „Ja!“, sagen die Journalist*innen von Correctiv. Solche Accounts sind nur der Anfang für den Einstieg in die rechte Szene: Beispielsweise durch harmlose Hashtags wie #heimatverliebt mischen sich rechtsextreme Inhalte zu Naturfotos. Die Accounts weisen außerdem klare Verbindungen zu der Identitären Bewegung auf, die laut Verfassungsschutz eine „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ ist. Kaum eine Influencerin zeigt ihre Zugehörigkeit zu Gruppen wie der IB aber offen. Selbst Mitglieder der rechten Szene erkennen Gleichgesinnte nicht immer auf den ersten Blick, so Correctiv.
Die Analyse macht deutlich: Das Netz an rechten Influencer*innen ist groß und stellt eine Gefahr für die Radikalisierung junger Menschen dar. Hinter attraktiven, scheinbar unschuldigen Personen im Blumenoutfit stehen stark rechte Organisationen. Hinter ästhetischen Bildern verschwimmt die Sichtbarkeit von Rechtsextremismus und macht die Aufdeckung schwerer denn je.