Science-Fiction-Dystopie oder Technik der Zukunft – was steckt hinter Facebooks „Metaverse“?

Als Mark Zuckerberg Facebook in Meta umbenannte und die Erschaffung einer ganz neuen virtuellen Realität namens Metaverse ankündigte, erhielt er nicht nur positive Resonanzen: Vielmehr schien sein mittlerweile berühmt-berüchtigtes Ankündigungsvideo Ängste, Sorgen und Verwunderung auf Social Media hervorzurufen. Jede*r soll Eintritt zu der neuen immersiven Welt haben – und doch ist es nur sehr schwer zu erfassen, was genau da entsteht. Ist das Metaverse unsere Zukunft oder doch nur eine zum Scheitern verurteilte Science-Fiction-Dystopie? Eine Analyse.

Von Kim Brückmann

Es klingt wie Science-Fiction, wie ein wahr gewordener (Alb-)Traum: Facebook, jetzt Meta, will ein paralleles Universum in der virtuellen Welt erschaffen. Eines, in dem man leben, arbeiten, Kleidung kaufen und seine Zeit genießen kann. Metaverse soll es heißen und es wirkt auf den ersten Blick ein wenig wie eine hochentwickelte Version des Computerspiels „The Sims“. Denn jeder Mensch soll sich in dieser Welt einen Avatar erschaffen und ein Grundstück kaufen können, damit also ein zweites, virtuelles Leben erstellen. Raus aus dem Alltagsstress – rein ins Metaverse? So ungefähr scheint zumindest die Prämisse zu sein. Doch wie genau wird dieses Metaverse aussehen?

Das Metaverse – Die Entstehung einer virtuellen Welt

Das Metaverse soll ein eigenes Universum sein, eine virtuelle Welt. Darin wird es verschiedene Staaten geben mit eigenen Regeln, Codes und Besonderheiten, zwischen denen man hin- und herreisen kann. So werden verschiedene virtuelle Welten auf Webseiten und Foren miteinander verbunden und zu einem Teil eines echten Raums gemacht, den Nutzer*innen betreten können. Bisher kann man sich das nur schwer vorstellen und Meta hat auch noch keine Einzelheiten zu der Ausgestaltung bekannt gegeben.

Früher Facebook – heute Meta.

Die dazugehörige Software hat Meta „Horizon“ getauft. Damit Nutzer*innen in die virtuelle Welt eintauchen können, werden zudem Virtual-Reality-Brillen und Augmented Reality eingesetzt. Das Unternehmen plant deshalb, die Gadgets und dazugehörige Software weiter auszubauen und zu entwickeln. Dafür werde Meta laut Zuckerberg im laufenden Geschäftsjahr rund 10 Milliarden Dollar in das Metaverse investieren, die Tendenz in den nächsten Jahren sei steigend: „Es ist wichtig, ein soziales Erlebnis zu haben, das sich über alle Plattformen erstreckt. Es muss überall in unserer App-Familie funktionieren. Es muss im Web, auf dem Telefon, auf Computern funktionieren. Es muss viel Infrastruktur aufgebaut werden“, sagte Zuckerberg kurz nach Bekanntgabe seiner neuen Pläne.

Auch Krypto-Währungen sollen im Metaverse eingesetzt werden. Die sogenannte Blockchain-Technologie wird dann dabei helfen, mit digitalem Geld digitale Gegenstände zu kaufen, die Nutzer*innen in das Metaversum mitnehmen können. Mit dem Krypto-Geld können zudem NFTs gekauft und in den eigenen vier virtuellen Wänden ausgestellt werden. „Non Fungible Tokens“, kurz NFTs, ermöglichen es, digitale Momente zu besitzen und zu sammeln, also etwa Fotos von Stars, Albumcover oder beliebte Memes.  

Mit dem Metaverse verfolgt Facebook ein Ziel: junge Menschen zurückgewinnen

Auf Social Media stellen sich einige Nutzer*innen die Frage: Warum gerade jetzt? Und wofür soll das überhaupt gut sein? Mark Zuckerberg soll die Antwort darauf in einem Call mit Investor*innen gegeben haben: „Wir rüsten unsere Teams um, um die Betreuung unserer jungen Erwachsenen zu unserem Nordstern zu machen, anstatt sie für die größere Anzahl älterer Menschen zu optimieren“. Der neue Plan von Meta scheint also zu sein, vor allem eine junge Zielgruppe zu erreichen und ins Metaverse zu locken. Das scheint aus einer unternehmerischen Perspektive Sinn zu machen, denn Studien belegen, dass Facebook vor allem bei den Nutzer*innen unter 30 nicht mehr zu den Spitzenplattformen gehört und junge Menschen bereits vermehrt zu anderen Plattformen übergegangen sind.

Damit spielt also auch das kommerzielle Interesse eine entscheidende Rolle in der Entstehung des Metaverse. Zuckerberg bezeichnete es bereits als Nachfolger des mobilen Internets: „Wir hoffen, dass wir bis zum Ende des Jahrzehnts einer Milliarde Menschen helfen können, das Metaverse zu nutzen und eine digitale Wirtschaft im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar zu unterstützen“. Für das Metaverse könnte Meta viele neue wirtschaftliche Partner dazugewinnen und neuartige, immersive Werbung schalten, in welche die Nutzer*innen eintreten und eintauchen könnten. Verschiedenste Unternehmen könnten zukünftig an Verkäufen in der digitalen Welt mitverdienen und virtuelle Dinge anbieten, die nicht einmal mehr in der Realität produziert werden müssten. Wirtschaftlich gesehen könnte das Metaverse damit eine neue digitale Goldgrube darstellen.

Die Zukunft der Menschheit könnte eine virtuelle sein … oder nicht?

Letztendlich stellt sich dennoch die Frage, warum Nutzer*innen überhaupt in das Metaverse eintreten sollten. Natürlich ist Eskapismus ein weitgehend bekannter Grund für die Mediennutzung im Allgemeinen, aber seit Bekanntgabe der Metaverse-Pläne verweisen vor allem besorgte Nutzer*innen auf Social Media vermehrt auf mögliche negative Folgen in Bezug zur Entwicklung einer virtuellen Welt. Immer wieder werden dabei Vergleiche zu dem Inhalt einer Folge der dystopischen und gesellschaftskritischen Serie „Black Mirror“ namens „Das Leben als Spiel“ aus dem Jahr 2011 gezogen. Darin geht es um einen Mann, der in einer dystopischen Welt voller digitaler Güter die Echtheit der Welt und der Gefühle vermisst und mit der virtuell-geschaffenen Welt nicht mehr umgehen kann. Tatsächlich finden sich in dem Ankündigungsvideo zum Metaverse von Mark Zuckerberg, in dem er mit seinem Avatar spricht, viele Ähnlichkeiten zu dieser Folge der Serie. Besorgte Nutzer*innen sehen das Metaverse deshalb ähnlich wie die Welt in der genannten Serienfolge als Science-Fiction-Dystopie, was auch auf die Herkunft des Begriffs „Metaverse“ zurückgeführt werden kann: Dieser Begriff stammt nämlich aus Neal Stephensons Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ aus dem Jahr 1992, in dem das Metaverse als Konvergenz von physischer und virtueller Realität in einem geteilten Online-Raum dargestellt wird.

Selbst im Traum vernetzt – vielleicht bald möglich mit dem Metaverse? Illustration: Kim Brückmann

Roger McNamee, einer der ersten Investoren von Facebook, hat die Metaverse-Pläne dieses Jahr auf der Web Summit Lissabon stark kritisiert: „Facebook sollte kein dystopisches Metaverse erschaffen dürfen“. Schon jetzt sei Facebook eine Plattform, auf der Falschinformationen schnell verbreitet werden können und Hass geschürt werde. Gerade erst beschuldigte Whistleblowerin Frances Haugen das Unternehmen, die Gesellschaft zu spalten und durch die eingesetzten Algorithmen mit Absicht Hass und Wut zu schüren, um den maximalen wirtschaftlichen Profit aus Facebook herauszuholen. Ob das Metaverse in den Händen von Mark Zuckerberg also sicher sein kann, ist mindestens fragwürdig. Auch McNamee scheint nicht daran zu glauben: „Keine Regulierungsbehörde oder politische*r Entscheidungsträger*in sollte Facebook erlauben, dort zu operieren oder in Kryptowährungen einzusteigen“.

„Es wird das wirkliche Leben nicht ersetzen – nichts sollte das tun.“

Bei all den Sorgen und genannten Problemen darf jedoch nicht vergessen werden, dass das Metaverse gerade erst entsteht und noch lange nicht so ausgereift ist wie beispielsweise die digitale Welt in „Black Mirror“, die vorerst eine Dystopie bleibt. Grundsätzlich war es schon immer so, dass mit neuen Erfindungen auch neue Sorgen bei den Menschen aufkamen. So war es auch, als das Internet an Popularität gewann. Denn die Auswirkungen neuer Technologien sind im Vorhinein nur schwer einzuschätzen. Wie berechtigt die Sorgen in diesem Fall sind, wird sich deshalb erst mit der Zeit zeigen. Zunächst wird es in der Zukunft um Regeln gehen müssen, die im Metaverse gelten sollten. Und auch der Erfolg des Metaverse steht noch in den Sternen. Denn momentan ist noch nicht geklärt, wie offen das Metaverse sein wird. Metas Erfolg mit seinem Universum hängt nämlich auch davon ab, ob es nur ein Metaverse geben wird, dem sich vermehrt andere Spielemacher anschließen, oder ob verschiedene Anbieter verschiedene Metaversen erstellen werden und dann in Konkurrenz treten.

Das Metaverse könnte zudem auch einige Vorteile mit sich bringen. Chris Cox, Chief Product Officer von Meta, erklärte im Interview mit BBC, dass beispielsweise Videokonferenzen im Metaverse einfacher werden sollen. Derzeit ist es bei digitalen Konferenzen oft schwierig zu erahnen, wer gerade wen anspricht. In den virtuellen Räumen im Metaverse würde dieses Problem dank der Avatare nicht mehr bestehen. Auf die Sorgen der Nutzer*innen, die Welt könnte sich künftig nur noch online abspielen, reagierte Cox in dem genannten Interview auch: „Es wird das wirkliche Leben nicht ersetzen – nichts sollte das tun – und ich möchte auch nichts entwerfen, das so etwas tut“. Er räumte ein, dass kein Unternehmen wie Meta das Metaverse besitzen würde, und verwies auf Roblox als Beispiel. Denn es gibt bereits Online-Spiele wie etwa eben Roblox oder auch Fortnite, die dem Gedanken eines Metaversums durch immersive Spielwelten, die Nutzer*innen selbst erschaffen können, schon heute sehr nahekommen.

Letztendlich ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass die Nutzer*innen des Metaverse und die Menschheit selbst über ihre Zukunft entscheiden kann. Das Metaverse braucht Nutzer*innen, um bestehen zu können. Diese müssen reale Menschen sein, die sich überhaupt erst einmal in ein solches Paralleluniversum begeben möchten. Noch ist vieles der Technik, die Facebook bzw. Meta einsetzen möchte, nicht besonders ausgereift. Vorerst sehen wir in dem umstrittenen Metaverse-Werbevideo deshalb nur Mark Zuckerbergs Vision für das Metaverse und wie es einmal in der Zukunft aussehen könnte. Wie es aber im Endeffekt inhaltlich ausgestaltet sein wird, ist heute noch weitgehend unklar, und welche Macht es auf uns Menschen ausübt, entscheiden wir selbst. Das sollte bei diesen Diskussionen nicht in Vergessenheit geraten.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert