Wer in den letzten Tagen auf den sozialen Medien unterwegs war, ist um ein Thema nicht herumgekommen: „Pinky Gloves“. Pinke Plastikhandschuhe, die Menstruierenden dabei helfen sollen, ihre Periodenprodukte „geruchsneutral und hygienisch“ zu entsorgen. Unter dem Hashtag #Pinkygate bezeichneten zahlreiche Instagram-Nutzer*innen das Produkt als sexistisch und umweltschädlich. Die Jungunternehmer Eugen Raimkulow und Andre Ritterswürden haben für diese mehr als fragwürdige Idee in der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ einen Deal bekommen. Das heißt, DHDL-Investor Ralf Dümmel hatte sich dazu bereit erklärt, 30.000 Euro für 20 Prozent der Unternehmensanteile zu zahlen – völlig verständlich, wer angesichts dieser Summe jetzt schon den Kopf schüttelt.
„Ein Frauenprodukt, kein einfaches Thema“
Eugen Raimkulow und Andre Ritterswürden, die sich bei der Bundeswehr kennengelernt haben, erzählten in der Sendung von ihrer „Frauen-WG“, in der sie gemeinsam wohnen. Dort wird der Mülleimer im Badezimmer regelmäßig zum Problem, wenn eine der Mitbewohnerinnen ihre Tage hat. Blutige Spuren seien zu sehen und der Müll fange nach ein paar Tagen an, unangenehm zu riechen. Die pinken Handschuhe sollen dabei helfen, die Periodenprodukte „hygienischer zu entsorgen“. Das Problem: Die Idee, dass Frauen sich Einweghandschuhe anziehen sollen, um ihre Tampons und Binden zu entsorgen, suggeriert, dass dieser völlig normale Prozess etwas Ekliges ist, womit man seine (männlichen) Mitbewohner auf gar keinen Fall konfrontieren sollte. Nicht, dass diese tatsächlich etwas Blut im Mülleimer entdecken würden. Vielleicht wäre es auch eine Lösung, einfach mal den Badezimmermüll öfter rauszubringen.
Die Erfinder behaupten, dass die Handschuhe in erster Linie erfunden worden seien, um Menstruierenden die Entsorgung ihrer Periodenprodukte unterwegs zu erleichtern. Auf links gedreht fungieren die Handschuhe als Müllbeutel. Oft gäbe es beispielsweise in Diskotheken, auf Festivals oder anderen Veranstaltungen ja keine Mülleimer, auch nicht auf Frauentoiletten. Das ist wahr und ein Problem. Häufig findet man sich als menstruierende Person in der nervigen Situation wieder, dass man seine Tampons nicht vernünftig entsorgen kann. Allerdings lässt sich dieses Problem leicht lösen, indem man einfach mehr Mülleimer hinstellt.
Aber erstmal einen Schritt zurück: Es kam nicht immer so gut an, wenn bei der “Höhle der Löwen” Lösungen für Periodenprobleme vorgeschlagen wurden. Im November 2019 stellten die Gründerinnen Kati Ernst und Kristine Zeller bei der „Höhle der Löwen“ Periodenunterwäsche ihrer Marke „ooia“ vor. Ein sinnvolleres und wesentlich umweltfreundlicheres Produkt als pinke Einweghandschuhe, könnte man meinen. Investor Dümmel zeigte sich jedoch besorgt, dass zwei Gründerinnen auf die Idee kamen, solch ein Produkt vorzustellen – „Ein Frauenprodukt, kein einfaches Thema“. Ernst und Zeller bekamen damals keinen Deal. Was also macht „Pinky Gloves“ zu dem besseren „Frauenprodukt“? Nichts – das sehen sogar die „Frauenversteher“ Eugen Raimkulow und Andre Ritterswürden ein. Auf ihrer Instagramseite schrieben sie: „Die Entwicklung unseres Produkts und die Kommunikation dazu war nicht durchdacht“. Wie wahr.
Die Periode der Anderen
Die Periode gilt oft immer noch als Tabuthema. In der Schule gehen junge Mädchen noch immer so verstohlen im Unterricht auf die Toilette und verstecken den Tampon in ihrer Hand so vehement, als planen sie damit ein Attentat. Als wäre es ein Geheimnis und als wäre es nicht so, dass sich mindestens die Hälfte der Klasse nicht sowieso jeden Monat mit diesem Produkt auseinandersetzen müsste. Fällt einmal einer Klassenkameradin ein Tampon oder eine Binde runter, wird sie von ihren Mitschülern (und teilweise Mitschülerinnen) so entsetzt angeschaut, als wäre ihr gerade ein Messer aus der Tasche gerutscht.
Sicherlich wird dieses Stigma nicht dadurch gelöst, Jungunternehmern, die pinke Plastikhandschuhe vermarkten, Morddrohungen zu schicken oder ihre Familien zu bedrohen. Die Erfinder der Handschuhe berichten, „einer heftigen Welle an Hass, Mobbing und Gewaltdrohungen, bis hin zu Morddrohungen“ ausgesetzt gewesen zu sein. Mit einem Video auf ihrem Instagram-Account entschuldigten sich die Unternehmer. Sie hätten zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, „jemanden zu diskreditieren oder einen natürlichen Prozess zu tabuisieren“. Mittlerweile haben sie alle Beiträge auf ihrer Seite gelöscht und nur noch ein Post ist zu sehen, in dem sie erklären, dass sie die Produktion der „Pinky Gloves“ einstellen und sich bei allen entschuldigen, „deren Gefühle und Emotionen verletzt wurden“.
Warum ausgerechnet pink?
Okay, die beiden haben eingesehen, dass die pinken Handschuhe vielleicht nicht die bahnbrechende Business-Idee ihrer Karriere waren. Auch wahr ist, dass fehlende Mülleimer auf öffentlichen Toiletten und die Stigmatisierung und Ekel vor der Periode es Menstruierenden nicht gerade leichter machen. Mehr Aufklärung über die Periode könnte da sicherlich helfen – ob jedoch die Lösung pinke Plastikhandschuhe sind, das ist eine andere Frage. Das Produkt bekämpft also mehr ein Symptom und nicht die Ursache. Außerdem wird die Periode durch solch ein Produkt kapitalisiert – und zwar von zwei nicht-betroffenen Männern. Eine letzte Frage stellt sich jedoch noch: Wenn man schon aus der Periode Kapital schlagen und Frauen unterbewusst suggerieren will, dass es eklig sei, seinen Tampon, ohne die Nutzung von umweltschädlichen Plastikhandschuhen zu entfernen und zu entsorgen – warum dann das Ganze ausgerechnet noch in pink?