Das ganze Uni-Leben also digital. Mein Büro sollte ich nicht mehr betreten und mein Home wurde zum Office – etwas, das ich vorher immer gehasst habe. Und weil unsere Kinder in dieser Zeit auch keine Betreuung hatten und ich unserem Älteren vormittags Geometrie, den Aufbau des Löwenzahns und Schreibschrift beibringen sollte, stockten wir zunächst einmal unsere Vorräte an Gin und Wein auf. Schnell sollte sich zeigen, dass wir das auch brauchen. Die Vorräte beruhigten auch angesichts meiner Gedanken, was noch alles ausfallen oder nur digital stattfinden würde: die Riverboat-Shuffle, das Grillen am Rhein, Konzerte, der Publi-Kick, das Marktfrühstück, Tagungen, meine Geburtstagsfeier und eben die Präsenzlehre. Klar, nicht alles davon schmerzte gleich.
Die universitäre Lehre digital abzuhalten war zwar technisch keine große Herausforderung, aber wie würde es inhaltlich gelingen? Nach der Hälfte des Semesters ist klar, dass angesichts der Tatsache, dass die Digitalisierung der Lehre bislang stiefmütterlich behandelt wurde, alles erstaunlich glatt läuft. Beim Schreiben dieses Artikels wurde mir klar, warum es so gut funktioniert: Die Studierenden sind flexibel, anpassungsfähig und verfügen über die notwendige Digitalkompetenz. Dabei sind auch sie Leidtragende dieser Krise, nehmen es aber stoisch hin. Erasmussemester mussten abgebrochen, Prüfungen verschoben werden; Der Arbeitsmarkt ist für Absolventinnen und Absolventen gerade eine Katastrophe. Dennoch gibt es unter den Studierenden eine Grundgelassenheit, einen Optimismus, den man nur bewundern kann.
Dass die digitale Lehre also recht reibungslos verlaufen würde, hätte ich nicht unbedingt gedacht. Aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich auf eine seltsame Art schon nach zwei Wochen jene Studierenden vermisse, die ohne Termin an meiner offenen Bürotür stehen, um „schnell“ etwas zu fragen. Schnell wurde mir klar, wie sehr ich den Austausch am Arbeitsplatz eigentlich brauche. Daher veranstalte ich auch alle Seminare per Videochat, um den Studierenden wenigstens digital zu begegnen. Das war dennoch gewöhnungsbedürftig: So sind die Mikrofone der Studierenden ausgestellt, wenn ich etwas vortrage, weshalb es keine auditive Rückmeldung gibt. Anders gesagt: Ich höre niemanden über meine Witze lachen, was die Studierenden sonst aus Höflichkeit oder Angst immer tun. Stattdessen blickt man beim Reden in leere Gesichter. Manche Studierende sitzen so ruhig vor der Kamera, dass man meint, deren Bildschirm sei eingefroren. Andere nutzen die Selbstbeobachtung am eigenen Bildschirm, um sich zu frisieren, zu dehnen oder augenscheinlich selbst anzustarren. Warum guckt man sich bei diesen Videochats ständig selbst an und hört das irgendwann auf? Neidisch bin ich dann immer auf jene zwei Studentinnen, die in einer WG zusammenleben und während unseres Seminars miteinander reden, lachen und offensichtlich mega Spaß haben.
„…Optimismus, den man nur bewundern kann“
Thomas Koch
Diese Beobachtung zeigt eben, dass sich soziale Aspekte nicht per Videokonferenz ersetzen lassen – das hat mittlerweile jeder auch privat gemerkt: Das erste Zoom-Meeting mit Freunden zum Kneipenquiz, zur Weinprobe oder Ähnlichem war vielleicht lustig. Danach wurde es langweilig und man mied zunehmend die digitalen Treffen. Bei der Lehre ist zum Glück Anwesenheitspflicht, sonst wäre ich wahrscheinlich alleine. Und bei den Treffen merke ich jede Woche, wie sehr ich die Präsenzlehre vermisse.
Das Gleiche gilt für den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen am Institut und vor allem für mein Team, das mir schon sehr fehlt. Unser erstes digitales Professorium brachte die beruhigende Erkenntnis, dass auch in diesen Zeiten vieles blieb wie es ist: Gregor Daschmann stürmt weiterhin von Termin zu Termin. Oli Quiring versteht man im Videochat immer noch kaum, weil das Fränkisch über die Laptoplautsprecher zu einem einzigen rollenden R wird (und ich bin gebürtiger Franke). Und Leonard Reinecke trägt auch im Homeoffice ein weißes Hemd. Schön, dass manche Dinge der Krise trotzen.